Eisvogel

Eisvogelschutz auf dem Niederlehmer Werder

Teil: Eisvogel-Pflegefall 2002


Sonntag, 7. Juli 2002: Gegen 8.30 Uhr kamen eine Frau und mein Gartennachbar und übergaben mir überraschend einen Eisvogel direkt aus ihrer Hand. Ich hätte mir nie träumen lassen, jemals einen Eisvogel in der Hand zu halten und war ganz aufgeregt. Sie hatten ihn auf einem Weg abseits vom Wasser aufgelesen, wo er kraftlos saß. Er hielt beide Augen geschlossen. Die Bedingungen der Pflege im Garten sind einerseits gut und andererseits unzureichend. Gut ist die Nähe zu natürlichen Nahrungsquellen und die Hilfsbereitschaft. Am Wasser waren zwar noch keine Angler, die Vorsitzende des Vereins Sonnenschein, Elli, überzeugte energisch eine geeignete Person, das Frühstück rasch zu beenden und schnell mit der Senke Jungfische aus dem See zu holen. Sein Sohn kam gleich mit, die Fische mussten ja vom See zu unserem Garten oder unbenötigte wieder zurück gebracht und gegen frische ausgetauscht werden. Es handelte sich um 4 cm große Barsche, die gerade in großer Zahl den Sellenzugsee bevölkerten. In der dort installierten Kunsthöhle wurde gerade die zweite Eisvogelbrut dieses Jahres großgezogen. Wir konnten davon ausgehen, dass eben diese Jungfische auch an die Nestlinge verfüttert werden. Die erste Fütterung mit der Pinzette dauerte 45 Minuten. Der Vogel wollte einfach nicht schlucken. Zwei Stunden nach der Übergabe hatte der Eisvogel seine erste Nahrung aufgenommen. Die nächsten drei Fütterungen gingen flott, wir hatten scheinbar den Dreh heraus und der Vogel schluckte. Es wurde Kot abgesetzt und der Eisvogel schlief zwischen den Mahlzeiten, nach 12.25 Uhr mit dem Schnabel im Flügel. Wir schöpften Hoffnung, aber es sollte anders kommen. Der Vogel hatte rhytmische Zuckungen im Nacken, es gelang ihm aber nicht, einen Speiballen auszuspeien. Er sah erbärmlich aus. Wir träufelten ihm ein wenig Wasser ein, waren ziemlich ratlos und telefonierten mit Berliner Ornithologen und Vertretern des NABU.

Alle Fotos (Aufnahmen vom 7. Juli im Garten) lassen sich durch Anklicken einzeln bzw. als Diaschau (je 15 s) vergrößern.

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Schließlich erhielten wir ein Angebot von Frau Wolf, die weitere Betreuung zu übernehmen. Zusammen mit dem Revierförster Herrn Vorhold betreut sie eine Eisvogelnisthilfe am Müggelsee und kennt sich mit der Art gut aus. Frau Wolf hielt ihrerseits die Kontakte zur Wildtierpflegestation und zum Tierarzt (wo sie allerdings abgewiesen wurde). Bei der Übergabe wog der Eisvogel 38 g. Am nächsten Morgen nahm Frau Wolf sofort Kontakt zum nahegelegenen Institut für Gewässerforschung und Binnenfischerei (IGB) auf. Sie erhielt dort Guppies und verfütterte je 2-3 Exemplare im 2h-Rhytmus. Außerdem hätte das IGB ein Aquarium für die Umstellung von Handfütterung auf freilandähnliche Verhältnisse zur Verfügung gestellt. Frau Wolf hielt den Patienten in einem halbdunklen Pappkarton auf einer Sitzstange, damit er sich nicht einkotet. Obwohl er dauernd schwankte, wollte er von der Stange fortan nicht mehr herunter. Nur zum Wiegen ging es nicht anders. Die zweite Nacht hatte er fast wie ein Wunder so überstanden. Nur ein einziges Mal - am ersten Tag im Garten- hatte der Vogel mit eingestecktem Schnabel im Flügel kurzzeitig geschlafen. Am Dienstag sah der Eisvogel nach einer Fütterung plötzlich besser aus. Wenig später kam ein Speiballen, es war der erste überhaupt in 48 Stunden! Der Speiballen war vergleichsweise groß, wog ganze 5 Gramm und hatte einen Durchmesser von ca. 1,5 cm. Der Vogel wog hinterher 33 g und wirkte eigentlich nicht dem Tode geweiht. Dennoch sollte der Tod wenige Minuten später plötzlich eintreten.

Herr Altenkamp stand als Experte Frau Wolf ständig telefonisch zur Seite und schätzte ein, dass die Überlebenschancen von vornherein gering waren. Es handelte sich um einen Altvogel, der anders als ein gerade flügger Jungvogel bei dem großen Fischreichtum eigentlich kein Nahrungsproblem haben sollte. Dem Verhalten nach könnte er ein Flugtrauma gehabt haben. Auch der Fundort mitten in der Kleingartenanlage deutet darauf hin, dass er gegen ein Hindernis geflogen war, wodurch sich eiin Blutgerinsel im Kopf bilden kann. Die völlig fehlende Angst vor dem Berühren bestärkt diese Art der Verletzung.

Anderswo gibt es aber auch positive Erfahrungen, in denen es gelungen ist, ähnlich verletzte junge Eisvögel wieder aufzupäppeln und in die Freiheit zu entlassen.

 

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