Berliner ornithologischer Bericht 16, 2006, 56-85

Avifaunistisches Langzeitmonitoring im Habiatmosaik Niederlehmer Werder - Wie die kleingärtnerische Nutzung die Brutvogelwelt verändert

Von REGINA EIDNER

Zusammenfassung
Im Zusammenhang mit dem Beginn der kleingärtnerischen Nutzung auf der Halbinsel Niederlehmer Werder an der südöstlichen Grenze Berlins wurden ab 1991 regelmäßig Brutvogelerfassungen durchgeführt. Innerhalb von 15 Jahren verdoppelte sich die Anzahl aller Reviere. Zu dieser Entwicklung tragen die 60 bisher nachgewiesenen Brutvogelarten in sehr unterschiedlichem Maße bei. 2004 wurden in der 30,8 ha großen Kleingartenanlage (56,9% des gesamten Habitatmosaiks des Niederlehmer Werder) 23 Arten mit einer Gesamtabundanz von 76 Rev./10 ha festgestellt, ein im Literaturvergleich niedriger Wert. Die ungebrochene Dominanz des Grünfinken und der bislang nur 4. Rang der Amsel können als Kennzeichen für das noch geringe Alter der Anlage gelten. Ein Literaturvergleich mit anderen Kleingartenanlagen legt nahe, dass eine relative artenreiche Avifauna mit dem Vorhandensein naturnaher und deckungsreicher Strukturen korreliert. Einige Arten, die in den Randgehölzen des Niederlehmer Werder seit vielen Jahren Optimalhabitate finden, z. B. Gartengrasmücke und Gelbspötter, fehlen als Brutvögel im kleingärtnerisch genutzten Teil.

Die Kleingärten und ihre Nutzung haben Auswirkungen auf die benachbarten naturnahen Lebensräume und auf deren Vogelwelt. Die natürliche Sukzession des Gebiets wird durch Düngung und Umlagerung der Nährstoffe verstärkt. Generell wurden auf dieser Weise nitrophile Pflanzen und damit Vogelarten, die von einer dichteren und höheren Vegetation profitieren, bevorteilt, während Offenlandbewohner tendenziell zurückgingen. Anhand der Dynamik einiger sukzessionsabhängiger Arten werden allmähliche Lebensraumänderungen im Detail aufgezeigt. So gab z. B. der Sumpfrohrsänger die aufwachsenden Uferbereichen auf, die jetzt stark von der Nachtigall besiedelt werden.

Durch die in dieser Arbeit vorgestellte avifaunistische Erfassung des gesamten Habitatmosaiks des Niederlehmer Werder einerseits und die separate Analyse der einzelnen Teillebensräume andererseits wird die bedeutende Lebensraumfunktion von bestimmten Strukturen, insbesondere von Gehölzreihen, herausgearbeitet und teilweise quantifiziert. Die ermittelten habitatbezogenen Flächen- bzw. Liniendichten werden mit entsprechenden Daten aus der Literatur verglichen. Demnach können die Gehölzstreifen auf dem Niederlehmer Werder als überdurchschnittlich gut besetzt gelten, eine Folge des Zusammenwirkens von kleingärtnerischer Nutzung (Eutrophierung, Nahrung) und Naturschutzmaßnahmen der hier ansässigen Kleingartenvereine.